Tumgik
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Dunedin
Das Innere der Stadt nur ein Oktagon. Erahnend kauern Studenten, in Reihenhäusern mit Wiesenanteil und weißem Holzzaun - Erinnert an Reihenhäuser der Fünfzigerjahre in den christlichen Vorstädten der Millionenstädte der USA. Dahinvegiertierend sitzen sie vor ihren befleckten Matratzen, die auf dem Boden zwischen Unrat, Inspiration und Ideen liegen, schauen aus den gardinenlosen Fenstern und deren Rahmen, mit abgesplitterter Farbe und matter Trostlosigkeit und vergilbt vom Zigarettenqualm, in den endlosen nächtlichen Diskussionen. Schön ist, was als schön empfunden wird - und so bleibt es. Und so liegen sie immer. Händchenhaltende mit ihrer Sehnsucht nach Berührung und Nähe. Empfinden einzig und allein im Stillstand Hoffnung und Geborgenheit und das Aussetzen von Leid und irrationalem Weltschmerz. Und so fühlt auch das Fenster, ganz beschlagen vom Hauch des Lebens und lässte seine Tränen öffentlich fließen. Nur die Sonne bahnt sich einen Weg zu den Augen und in jenen reflektiert sich das Glas mit seinen Flüssen und der unausweichlichen Gewissheit dem Drang nach Ende nicht entrinnen zu können.
Händchenhaltende von Dunedin. Ihr Akademiker von Morgen. Existiert weiter im parallelen Gleichschritt der Zeit und eröffnet euch selbst die Erlösung die nie kommen wird. Schleicht weiter durch die verregneten Straßen der Nacht in langen schwarzen Mänteln mit aufgestelltem Kragen und bewundert im Rausch die Spiegelungen der Laternen in den Pfützen. Licht an - Licht aus - Licht an - Licht aus - Licht. Fotografiert eure Wunden. Bleibt benommen und verwundbar. Blicke die durchdringen und erschießen am helligten Tag. Auf dem Weg nach irgendwo vom Hunger des Konsums getrieben. In Gedanken die Gleichheit erkennend. Medizin in Form von Flüssigkeiten klingelnd in Beuteln versteckt. Wie Tiere tragt ihr den angedachten Trieb und weißsagende Depressionen von Flucht zu Flucht. Inseln gibt es nicht. Nur ihr selbst könnt sein in Überwindung. Nur ihr selbst bleibt eins. Nur ihr selbst eurerselbst.
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Meditation - eine Kurzgeschichte
Miro stand barfuß auf der kleinen hellbraunen Anrichte. Moko malte mit rotem Filzstift ein polynesisches Tattoo auf seinen Unterschenkel. Ich saß vor einem Tisch, auf einem Stuhl, auf dem eine Decke als Tischdecke lag. Ich beobachtete sie. Moko war konzentriert. Er schaute mit starrem Blick auf den Unterschenkel und nickte dabei mit seinem Kopf zum Takt der Musik. Seine Kiefermuskulatur zuckte. Ein Zeichen des Nachdenkens. Er rollte mit dem Stuhl einen halben Meter zurück, lehnte den Kopf leicht nach rechts und sich gekonnt nach hinten, um seine ersten Striche zu bewerten. Er nickte wieder; musikalisch zufrieden. Er rollte wieder hin. Zog einen Strich und rollte wieder zurück. Unnachgiebig wiederholte er diese Prozedur. Immer und immer wieder.
Miro stand still, wie ein Soldat, während Moko seine Bewegungen immer wieder wiederholte. Er stand und salutierte nicht. Reines abwarten. Das vermischen des Stillstandes mit der Bewegung von Moko. Ein Abwarten und eine Bewegung in sich geschlossen; wiederholend. Ich beobachtete nur. Saß auf meinen Stuhl und trank meinen Tee. Er war heiß und dünn.
Das Zimmer war groß; nur ein Raum. Moko meinte, es sei früher ein altes Schulgebäude gewesen. Sozusagen eine Schule bestehend aus nur einem Klassenzimmer. Das Parkett war hellbraun und genagelt, gleichmäßig und parallel. Nicht versetzt. Es war abgetreten und unlackiert. Alte Sessel standen auf ihm. Sie strahlten Bequemlichkeit und Ruhe aus. Schallplatten und Bücher stapelten sich in und auf Schränken. Dazwischen, davor und darauf lagen Federn, Knochen, Stifte. Überall lagen Skizzen. An den Wänden hingen eingerahmte Fotokopien von tätowierten Maoris aus dem 19. Jahrhundert. Es war nicht chaotisch, eher strahlte es eine künstlerische Unruhe aus, in der man sich verlor und tätig werden musste. Die dunkelbraunen Holzbalken lagen offen und gaben den ganzen etwas Freiheitliches. Die Gedanken konnten sich bewegen; sie konnten fliegen ohne sich eingesperrt zu fühlen, um am Ende, gedacht wieder zurückkehren zu können. Die lange Fensterfront unterstützte dies. Ein Fenster an das Andere gereiht. Alle gleich in ihrem Aufbau: Ein einfaches Fensterkreuz in der Form eines christlichen Kreuzes und dunkelgrün lackiert. Die Farbe platzte ab. Sie waren unberührt abgegriffen. Sie legten die Sicht frei auf die langen Wiesen, die vor dem Haus lagen und die Hügel dahinter. Ein Zug ratterte still zwischen ihnen und bewegte sich gleichmäßig. Auf dem Feld, vor der Zugstrecke verharrte ein Schwarm schwarzer Vögel. Individuell suchten sie im Dreck nach Nahrung. Jeder einzelne Vogel war unterschiedlich in seinen Bewegungen. Jeder agierte für sich und war auf sich alleingestellt bei dem was er tat. Der Eine interessierte sich nicht für den Anderen. Sie standen in einem wilden Chaos ohne erkennbare Logik. Als das Scheppern des Zuges zu ihnen drang erschraken sie und flogen auf. Aus dem Chaos entstand eine Harmonie. Sie formatierten sich aus ihrer Individualität in eine Masse. Wellenförmig und getrieben vom Lärm und Instinkt, bewegten sie sich gleitend und rhythmisch durch die Luft. Sie folgten etwas das unerklärlich schien. Es gab keine erkennbare Führung durch einen Vogel. Jeder schien zu leiten. Die Gesamtheit bewegte sich unkontrolliert, doch jeder Vogel unterwarf sich dem Ganzen und das Ganze ergab ein Bild. Ein stimmiges Bild. Es war soft und schien aus Wasser, dass sich selbst antrieb und sich verformte so wie es ihm beliebt. Denkendes schwarzes Wasser, dass sich seinen Instinkten hingibt.
Moko war fertig mit der Zeichnung und gab Miro einen Rasierer. Er sollte sich die bemalte Stelle rasieren. Wir gingen beide nach draußen und setzten uns auf die hölzernen Stufen der Terrasse. Er begann wortlos. Ich sah ihm dabei zu und kommentierte es nicht. Ich sah wieder aufs Feld und suchte die fliegenden Vögel und den fahrenden Zug. Die Masse ruhte still. Sie entfuhr ihrer Gesamtheit und entließ die einzelnen schwarzen Pigmente sich selbst auf der Suche im Feld. Ein Zug war nicht mehr zu sehen. Er folgte seiner Einbahnstraße und seinem ihm diktiertem Ziel. Nichts durchschnitt mehr die Landschaft. Alles war eins. Ich beobachtete Miro und sein handeln. Er war konzentriert und ruhig und nahm nichts war. Völlig in sich gekehrt. Er saß und rasierte. Nichts weiter. Nichts unterbrach ihn. Er rasierte sich selbst stoisch und kontinuierlich. Rasierte ein Stück, nahm das Stück Küchenrolle, das er in der anderen Hand hielt und wischte die Klinge am Tuch ab, damit er seine Arbeit fortsetzen konnte: Rasieren, reinigen, rasieren. Das war seine Aufgabe für diesen Moment. Meine war es zu beobachten: die Vögel, Miros handeln und mich.
Als Miro fertig war gingen wir wieder hinein und Moko führte uns zu einem anderen kleinen Gebäude. Es war eine Zahnarztpraxis. Es gab ein kleines Wartezimmer in dem eine Sitzecke fest installiert war, auf der hellbraune Kissen lagen. Die Sitzecke war aus Holz. Sie verlief zur Wand und hatte zu beiden Seiten die gleiche Länge. Auf jeder Seite hätten ungefähr zwei Menschen Platz nehmen können. Das ehemalige Behandlungszimmer war nun ein leerer Raum. Das Parkett war das Gleiche, wie in dem anderen Gebäude. Auf ihm lagen hellbraune verflochtene Banigmatten; Kissen und Bücher.  Der Raum war knapp 3mx2m groß. Die Fensterfront zeigte zur einen Seite zu den Feldern, Hügeln, der Zugschiene und dem Vogelschwarm, zur Anderen auf eine Wiese, auf der vereinzelt Bäume standen. Ihre Stämme lagen blank.
Moko und sein Assistent, der erst jetzt zur Unterstützung dazu kam, setzten sich auf die Matten. Wir taten dies ebenfalls. Es wurde wenig gesprochen. Miro und ich setzten uns in die Ecke, in der Bücher über polynesische Tätowierungen lagen. Wir schauten sie uns an. Sie handelten von der Entstehung des Tätowierens in dieser Region, von der Art zu Tätowieren und von der Erklärung der einzelnen Zeichen. Ich sah zu Miros Unterschenkel und versuchte es noch einmal zu deuten. Moko hatte im Vorfeld erklärt, was die einzelnen Zeichen auf Miros Haut zu bedeuten hatten. Sein Tattoo bestand aus vielen parallelen Strichen, die Horizontal verliefen aber nicht abgeschlossen in sich selbst endeten. Sie begannen und mündeten an einem Zeichen auf seiner Wade, dass einen Hammerhai darstellten sollte. Er steht für Stärke und das Kämpfen bis zum Schluss. Für Entschlossenheit und den unbezwingbaren Willen zum Sieg. Zwischen den Linien lagen weitere Zeichen. Inmitten der beiden Oberen, sowie der beiden Unteren standen aufrecht Rechtecke in ihren Umrissen gezeichnet; leicht nach links in der oberen Reihe und leicht nach rechts in der unteren Reihe, zeigend. Eine Symbolik für die Verwobenheit mit der Welt, die Verbindung zu Familie und Freunden, die Veränderung durch Begegnungen und das Erleben von Ereignissen, sei es direkt oder indirekt; eine Kombination eben aus allen Erfahrungen und das daraus resultierende individuell erworbene Schicksal, dass im Grunde kein Schicksal ist, sondern mehr ein Turm, der sich Stück für Stück selbst errichtet. Die beiderseitig nächstfolgende Stufe besteht aus „größer und kleiner als” Zeichen, die sich von Anfang bis Ende gleichmäßig wiederholen; aus spitzwinkligen gleichschenkligen Dreiecken, deren kürzeste Seite fehlt und die Spitzen, einmal nach links und einmal nach rechts zeigen. Jedes Einzelne von ihnen steht für Träume. Das Verwirklichen von Träumen und das darüber Nachdenken, wohin man sich selbst führen möchte, sowie die Träume, die einem in der Nacht begegnen. In der Mitte verliefen, einheitlich rhythmisch Tilden. Ein Zeichen einer Wellenlinie in der Waagerechten, das sich aus zwei gleich großen Buchten formt. In diesem Falle ist es nur nicht rund, sondern zickzackförmig verlaufend und es bedeutet Wasser als Weg durch ein Leben. Wie ein Seemann, der auf einen Boot nach Land sucht und von Insel zu Insel manövriert, manövriert sich der Mensch von Lebensereignis zu Lebensereignis und versucht anzukommen, auf einem, seinen Vorstellungen entsprechenden Platz, den es nicht gibt und nicht geben kann, da seine Vorstellungen und Triebe nie befriedigt werden. Er treibt durch das Wasser des Lebens zu scheitern und zu kentern. Auf seinen Irrfahrten begleiten in Orkane und Stürme. Das ruhige Wasser langweilt ihn; er erträgt das seichte Wasser nicht. In dieser Milde schätzt er die Kraft, die das Boot in den Wellen toben lässt und er sich selbst spürt. Sein Kampf ist sein Ziel. Das Boot nur noch ein Spielball und die kräftigen gezeichneten Hände halten die Seile und das Boot damit auf Kurs. Er kämpft. Er schnieft und keucht und sendet Stoßgebete Richtung Meer und Himmel. Der Antrieb in der Sekunde des Todes. Er kann nur verlieren – irgendwann.
Miro saß schon nicht mehr neben mir. Er lag vor mir auf einer dieser Matten aus Bast und zu seinen Füßen hockte Moko und sein Assistent. Sie verpackten gerade Kissen in Müllsäcke. Womöglich um sie nicht mit Blut zu beschmutzen. Sie steckten das Kissen in den Sack, pressten es zusammen, damit die Luft aus dem Beutel entwich und knoteten ihn an seiner Öffnung zu. Die Konturen des Kissens zeichneten sich ab und der schwarze Sack wirkte wie eine zweite Haut. Sie verpackten Kissen um Kissen. Zwei bekam Miro als Unterlage für seinen Kopf. Die restlichen Fünf behielten sie. Moko putzte den Meißel. Ein traditionelles Tätowierwerkzeug, genannt UHI. Es besteht aus einen etwa 30cm langen Holzstab an dessen Ende ein Haifischzahn befestigt ist. Dieser Zahn wird mit spitzen Zacken versehen. Er ließ sich dabei Zeit und redete mit Miro. Ich sah ihm zu und erkannte die Meditation des Reinigens. Er hatte etwa fünf Werkzeuge und alle unterschiedlich große Haifischzähne. Er legte die Fertigen in eine Schale aus Stahl, die er vorher in eine durchsichtige Plastiktüte steckte. Er redete und putze. Teil für Teil. Gleichbleibend und ruhig. Sein Atem senkte sich und er betrachtete jedes einzelne UHI ganz genau. Als er fertig war, fragte er mich, ob ich nicht die Musik für einen kurzen Moment ausstellen könnte. Ich schaltete sie aus. In der Zeit wickelten sich beide eine Art Wickelrock um ihre Hüften, der ihnen bis zu den Knöcheln reichte. Eine traditionelle Kleidung für diesen Akt. Sie hockten sich wieder und legten ihre Hände auf Miros Bein. Sie schlossen die Augen und Moko hob leicht den Kopf und sprach mit tiefer Stimme ein Gebet. Es dauerte keine ganze Minute. Er öffnete wieder die Augen und blickte zu seiner Zeichnung auf Miros Unterschenkel. Miro lag auf den Rücken. Moko nahm zwei der fünf Kissen und eines seiner fünf Werkzeuge und positionierte sich so vor Miros Bein. Die Höhe der Kissen war knapp über der Höhe des Beines und das Ende des Werkzeuges lag in seiner Hand zwischen Handballen und Fingerspitzen, wobei seine Fingerspitzen später als Hebel dienen sollten. Er prüfte noch einmal die Zeichnung. Sah sie sich ganz genau an. Suchte nach Fehlern und fand keine. Er nahm den Meisel, für den er eben noch die richtige Position suchte und der immer noch in seiner Hand lag und tauchte die Schneidezähne des angespitzten Haifischzahnes in eine schwarze Flüssigkeit. Nur die Spitzen, damit sie voll mit Tinte waren. Er nahm ein Tuch, das er zwischen Hand und Kissen legte, so dass es nach vorne blank überstand. Er nahm einen zweiten, blanken Holzstab und klopfte auf den UHI. Die überschüssige Farbe von den Zähnen spritzte auf Papier. Er positionierte seine Hand und sich anschließend in der gleichen Position, die er wenig zuvor gesucht hatte. Er legte die Zähne auf einen Part der vorgezeichneten Linien auf Miros Bein. Nun klopfte er leicht mit dem Holzstab in seiner Rechten auf den Meisel in seiner linken Hand. Er klopfte sachte, sich an die Stelle herantastend, um nicht zu verrutschen, um nicht die Linie nicht zu treffen, dann immer mehr mit Nachdruck, so dass die Zähne in Miros Haut drangen und die tiefschwarze Farbe in Punkten unter der Haut haften blieb. Er versetzte sein Werkzeug ein Stück auf der Linie und wiederholte es, wieder und wieder. Dann tauchte er die Zähne erneut in das Schwarz, klopfte mit dem Holzstab auf den Meisel, das die Farbe in Punkten auf das Tuch sprenkelte und setzte wieder an der Linie an. Stück für Stück tastete er sich voran. Im Hintergrund lief die Musik. Sie gab unbewusst den Takt vor. Moko untermalte sie mit seinen Percussions. Tack – Tack – Tack – Tack – Tack – Doppeltack – Doppeltack – Doppeltack. Immer und immer wieder. In unrhythmischen Wiederholungen. Der Beat der Musik spielte unaufhörlich und kontinuierlich. Dann wieder eintauchen mit den Zähnen des Werkzeuges. Tack – Tack – Tack. Abklopfen der überflüssigen Farbe. Ansetzen auf der Haut und dabei einen Hebel bildend über die Finger. Den Ansatz suchen. Konzentration. Eiserne Augen. Fixierende Blicke. Ein sanftes Tack. Ein sanftes Tack mit Nachdruck. Zähne die wieder eindringen in unberührte Haut. Zerstören, um zu Erschaffen. Harte Schläge. Holz auf Holz. Lautes Tack Tack Tack. In kurzen Wiederholungen nacheinander. Prüfen. Eintauchen in Schwarz. Immer die gleiche Prozedur. Immer und immer wieder.
Da liegt der Schlüssel der Meditation. In der stetigen Wiederholung des immer wieder Gleichen. Der Tätige wiederholt sein handeln. Miro schaut nur zu und erträgt das wundenbildende Eindringen in seine Haut. Jeder Stoß Mokos erzwingt Konzentration und das Ertragen des Schmerzes. Im Tack liegt das Atmen und Ertragen. Er vereint sich mit dem verstreichenden Sand. Es erinnert an verrinnende Zeit mit ihren hinterlassenden Erinnerungen. Mit ihren Narben und Zeichen. Die Sucht liegt im Schmerz und der Schmerz liegt im Leben und in jeder verstrichenen Sekunde. Tick-Tick-Tick-Tick-Tack-Tick-Tack-Tick-Tack. Ich saß und schaute zu. Beobachtete die Meditation der Beiden. Ich sah den Leidenden. Er wartete nur ab. Wartete auf die nächsten Stöße. Wartete auf Wunden und erwartete sie mit Sehnsucht. Ich sah den Tätigen, der da klopfte. Der der eindrang. Die Wunden bildete. Ich sah Erwartung und Vorbereitung und Ausführung. Ich sah aus dem Fenster und sah lange Wiesen und grüne Landschaften und sah den Zug, wie er wieder am Horizont entlang flog, die Landschaft zerschneidend. Ich sah die Vögel und wie sie erschraken. Wie sie sich bildeten und wieder entzweibrachen. Ich sah Wiederholung. Ich sah endende Unendlichkeit. Ich sah mich. Meine Meditation.
Miro stand barfuß auf der kleinen hellbraunen Anrichte. Moko malte mit rotem Filzstift ein polynesisches Tattoo auf seinen Unterschenkel. Ich saß vor einem Tisch, auf einem Stuhl, auf dem eine Decke als Tischdecke lag. Ich beobachtete sie. Moko war konzentriert. Er schaute mit starrem Blick auf den Unterschenkel und nickte dabei mit seinem Kopf zum Takt der Musik. Seine Kiefermuskulatur zuckte. Ein Zeichen des Nachdenkens. Er rollte mit dem Stuhl einen halben Meter zurück, lehnte den Kopf leicht nach rechts und sich gekonnt nach hinten, um seine ersten Striche zu bewerten. Er nickte wieder; musikalisch zufrieden. Er rollte wieder hin. Zog einen Strich und rollte wieder zurück. Unnachgiebig wiederholte er diese Prozedur. Immer und immer wieder.
Miro stand Stil, wie ein Soldat, während Moko seine Bewegungen immer wieder wiederholte. Er stand und salutierte nicht. Reines abwarten. Das vermischen des Stillstandes mit der Bewegung von Moko. Ein Abwarten und eine Bewegung in sich geschlossen; wiederholend. Ich beobachtete nur. Saß auf meinen Stuhl und Trank meinen Tee. Er war heiß und dünn.
Das Zimmer war groß; nur ein Raum. Moko meinte, es sei früher ein altes Schulgebäude gewesen. Sozusagen eine Schule bestehend aus nur einem Klassenzimmer. Das Parkett war hellbraun und genagelt, gleichmäßig und parallel. Nicht versetzt. Es war abgetreten und unlackiert. Alte Sessel standen auf ihm. Sie strahlten Bequemlichkeit und Ruhe aus. Schallplatten und Bücher stapelten sich in und auf Schränken. Dazwischen, davor und darauf lagen Federn, Knochen, Stifte. Überall lagen Skizzen. An den Wänden hingen eingerahmte Fotokopien von tätowierten Maoris aus dem 19. Jahrhundert. Es war nicht chaotisch, eher strahlte es eine künstlerische Unruhe aus, in der man sich verlor und tätig werden musste. Die dunkelbraunen Holzbalken lagen offen und gaben den ganzen etwas Freiheitliches. Die Gedanken konnten sich bewegen; sie konnten fliegen ohne sich eingesperrt zu fühlen, um am Ende, gedacht wieder zurückkehren zu können. Die lange Fensterfront unterstützte dies. Ein Fenster an das andere gereiht. Alle gleich in ihrem Aufbau: Ein einfaches Fensterkreuz in der Form eines christlichen Kreuzes und dunkelgrün lackiert. Die Farbe platzte ab. Sie waren unberührt abgegriffen. Sie legten die Sicht frei auf die langen Wiesen, die vor dem Haus lagen und die Hügel dahinter. Ein Zug ratterte still zwischen ihnen und bewegte sich gleichmäßig. Auf dem Feld, vor der Zugstrecke verharrte ein Schwarm schwarzer Vögel. Individuell suchten sie im Dreck nach Nahrung. Jeder einzelne Vogel für sich war unterschiedlich in seinen Bewegungen. Jeder agierte für sich und war auf sich alleingestellt bei dem was er tat. Der Eine interessierte sich nicht für den Anderen. Sie standen in einem wilden Chaos ohne erkennbare Logik. Als das Scheppern des Zuges zu ihnen Drang erschraken sie und flogen auf. Aus dem Chaos entstand eine Harmonie. Sie formatierten sich aus ihrer Individualität in eine Masse. Wellenförmig und getrieben vom Lärm und Instinkt, bewegten sie sich gleitend und rhythmisch durch die Luft. Sie folgten etwas das unerklärlich schien. Es gab keine erkennbare Führung durch einen Vogel. Jeder schien zu leiten. Die Gesamtheit bewegte sich unkontrolliert, doch jeder Vogel unterwarf sich dem Ganzen und das Ganze ergab ein Bild. Ein stimmiges Bild. Es war soft und schien aus Wasser, dass sich selbst Antrieb und sich verformte so wie es ihm beliebt. Denkendes schwarzes Wasser, dass sich seinen Instinkten hingibt.
Moko war fertig mit der Zeichnung und gab Miro einen Rasierer. Er sollte sich die bemalte Stelle rasieren. Wir gingen beide nach draußen und setzten uns auf die hölzernen Stufen der Terrasse. Er begann wortlos. Ich sah ihm dabei zu und kommentierte es nicht. Ich sah wieder aufs Feld und suchte die fliegenden Vögel und den fahrenden Zug. Die Masse ruhte still. Sie entfuhr ihrer Gesamtheit und entließ die einzelnen schwarzen Pigmente sich selbst auf der Suche im Feld. Ein Zug war nicht mehr zu sehen. Er folgte seiner Einbahnstraße und seinem ihm diktiertem Ziel. Nichts durchschnitt mehr die Landschaft. Alles war eins. Ich beobachtete Miro und sein handeln. Er war konzentriert und ruhig und nahm nichts war. Völlig in sich gekehrt. Er saß und rasierte. Nichts weiter. Nichts unterbrach ihn. Er rasierte sich selbst stoisch und kontinuierlich. Rasierte ein Stück, nahm das Stück Küchenrolle, das er in der anderen Hand hielt und wischte die Klinge am Tuch ab, damit er seine Arbeit fortsetzen konnte: Rasieren, reinigen, rasieren. Das war seine Aufgabe für diesen Moment. Meine war es zu beobachten: die Vögel, Miros handeln und mich.
Als Miro fertig war gingen wir wieder hinein und Moko führte uns zu einem anderen kleinen Gebäude. Es war eine Zahnarztpraxis. Es gab ein kleines Wartezimmer in dem eine Sitzecke fest installiert war, auf der hellbraune Kissen lagen. Die Sitzecke war aus Holz. Sie verlief zur Wand und hatte zu beiden Seiten die gleiche Länge. Auf jeder Seite hätten ungefähr zwei Menschen Platz nehmen können. Das ehemalige Behandlungszimmer war nun ein leerer Raum. Das Parkett war das Gleiche, wie in dem anderen Gebäude. Auf ihm lagen hellbraune verflochtene Banigmatten; Kissen und Bücher.  Der Raum war knapp 3x2m groß. Die Fensterfront zeigte zur einen Seite zu den Feldern, Hügeln, der Zugschiene und dem Vogelschwarm, zur Anderen auf eine Wiese, auf der vereinzelt Bäume standen. Ihre Stämme lagen blank.
Moko und sein Assistent, der erst jetzt zur Unterstützung dazu kam, setzten sich auf die Matten. Wir taten dies ebenfalls. Es wurde wenig gesprochen. Miro und ich setzten uns in die Ecke, in der Bücher über polynesische Tätowierungen lagen. Wir schauten sie uns an. Sie handelten von der Entstehung des Tätowierens in dieser Region, von der Art zu Tätowieren und von der Erklärung der einzelnen Zeichen. Ich sah zu Miros Unterschenkel und versuchte es noch einmal zu deuten. Moko hatte im Vorfeld erklärt, was die einzelnen Zeichen auf Miros Haut zu bedeuten hatten. Sein Tattoo bestand aus vielen Parallelen strichen, die Horizontal verliefen aber nicht abgeschlossen in sich selbst endeten. Sie begannen und mündeten an einem Zeichen auf seiner Wade, dass einen Hammerhai darstellten sollte. Er steht für Stärke und das kämpfen bis zum Schluss. Für Entschlossenheit und den unbezwingbaren Willen zum Sieg. Zwischen den Linien lagen weitere Zeichen. Inmitten der beiden Oberen, sowie der beiden Unteren standen aufrecht Rechtecke in ihren Umrissen gezeichnet; leicht nach links in der oberen Reihe und leicht nach rechts in der unteren Reihe, zeigend. Eine Symbolik für die Verwobenheit mit der Welt, die Verbindung zu Familie und Freunden, die Veränderung durch Begegnungen und das Erleben von Ereignissen, sei es direkt oder indirekt; eine Kombination eben aus allen Erfahrungen und das daraus resultierende individuell erworbene Schicksal, dass im Grunde kein Schicksal ist, sondern mehr ein Turm, der sich Stück für Stück selbst errichtet. Die beiderseitig nächstfolgende Stufe besteht aus „größer und kleiner als Zeichen“, die sich von Anfang bis Ende gleichmäßig wiederholen; aus spitzwinkligen gleichschenkligen Dreiecken, deren kürzeste Seite fehlt und die Spitzen, einmal nach links und einmal nach rechts zeigen. Jedes Einzelne von ihnen steht für Träume. Das Verwirklichen von Träumen und das darüber nachdenken, wohin man sich selbst führen möchte, sowie die Träume, die einem in der Nacht begegnen. In der Mitte verliefen, einheitlich rhythmisch, Tilden. Ein Zeichen einer Wellenlinie in der Waagerechten, das sich aus zwei gleich großen Buchten formt. In diesem Falle ist es nur nicht rund, sondern zickzackförmig verlaufend und es bedeutet Wasser als Weg durch ein Leben. Wie ein Seemann, der auf einen Boot nach Land sucht und von Insel zu Insel manövriert, manövriert sich der Mensch von Lebensereignis zu Lebensereignis und versucht anzukommen, auf einem, seinen Vorstellungen entsprechenden Platz, den es nicht gibt und nicht geben kann, da seine Vorstellungen und Triebe nie befriedigt werden. Er treibt durch das Wasser des Lebens zu scheitern und zu kentern. Auf seinen Irrfahrten begleiten in Orkane und Stürme. Das ruhige Wasser langweilt ihn; er erträgt das seichte Wasser nicht. In dieser milde schätzt er die Kraft, die das Boot in den Wellen toben lässt und er sich selbst spürt. Sein Kampf ist sein Ziel. Das Boot nur noch ein Spielball und die kräftigen gezeichneten Hände halten die Seile und das Boot damit auf Kurs. Er kämpft. Er schnieft und keucht und sendet Stoßgebete Richtung Meer und Himmel. Der Antrieb in der Sekunde des Todes. Er kann nur verlieren – irgendwann.
Miro saß schon nicht mehr neben mir. Er lag vor mir auf einer dieser Matten aus Bast und zu seinen Füßen hockte Moko und sein Assistent. Sie verpackten gerade Kissen in Müllsäcke. Womöglich um sie nicht mit Blut zu beschmutzen. Sie steckten das Kissen in den Sack, pressten es zusammen, damit die Luft aus dem Beutel entwich und Knoteten ihn an seiner Öffnung zu. Die Konturen des Kissens zeichneten sich ab und der schwarze Sack wirkte wie eine zweite Haut. Sie verpackten Kissen um Kissen. Zwei bekam Miro als Unterlage für seinen Kopf. Die restlichen fünf behielten sie.
Moko putzte den Meißel. Ein traditionelles Tätowierwerkzeug, genannt UHI. Es besteht aus einen etwa 30cm langen Holzstab an dessen Ende ein Haifischzahn befestigt ist. Dieser Zahn wird mit spitzen Zacken versehen. Er ließ sie dabei Zeit und redete mit Miro. Ich sah ihm dabei zu und erkannte die Meditation des Reinigens. Er hatte etwa fünf Werkzeuge und alle unterschiedlich große Haifischzähne. Er legte die Fertigen in eine Schale aus Stahl, die er vorher in eine durchsichtige Plastiktüte steckte. Er redete und putze. Teil für Teil. Gleichbleibend und ruhig. Sein Atem senkte sich und er betrachtete jedes einzelne UHI ganz genau. Als er fertig war, fragte er mich, ob ich nicht die Musik für einen kurzen Moment ausstellen könnte. Ich schaltete sie aus. In der Zeit wickelten sich beide eine Art Wickelrock um ihre Hüften, der ihnen bis zu den Knöcheln reichte. Eine Art traditionelle Kleidung für diesen Akt. Sie hockten sich wieder und legten ihre Hände auf Miros Bein. Sie schlossen die Augen und Moko hob leicht den Kopf und sprach mit tiefer Stimme ein Gebet. Es dauerte keine ganze Minute. Er öffnete wieder die Augen und blickte zu seiner Zeichnung auf Miros Unterschenkel. Miro lag auf den Rücken. Moko nahm zwei der fünf Kissen und eines seiner fünf Werkzeuge und positionierte sich so vor Miros Bein. Die Höhe der Kissen war knapp über der Höhe des Beines und das Ende des Werkzeuges lag in seiner Hand zwischen Handballen und Fingerspitzen, wobei seine Fingerspitzen später als Hebel dienen sollten. Er prüfte noch einmal die Zeichnung. Sah sie sich ganz genau an. Suchte nach Fehlern und fand keine. Er nahm den Meisel, für den er eben noch die richtige Position suchte und der immer noch in seiner Hand lag und tauchte die Schneidezähne des angespitzten Haifischzahnes in eine schwarze Flüssigkeit. Nur die Spitzen, damit sie voll mit Tinte waren. Er nahm ein Tuch, das er zwischen Hand und Kissen lag, so dass es nach vorne blank überstand. Er nahm einen zweiten, blanken Holzstab und klopfte auf den UHI, so dass die überschüssige Farbe von den Zähnen auf das Papier spritzte. Er positionierte seine Hand und sich anschließend in der gleichen Position, die er wenig zuvor suchte und legte die Zähne auf einen Part der vorgezeichneten Linien auf Miros Bein. Nun klopfte er leicht mit dem Holzstab in seiner Rechten auf den Meisel in seiner linken Hand. Er klopfte sachte, sich an die Stelle herantastend, um nicht zu verrutschen, um nicht die Linie nicht zu treffen, dann immer mehr mit Nachdruck, so dass die Zähne in Miros Haut drangen und die tiefschwarze Farbe in Punkten unter der Haut haften blieb. Er versetzte sein Werkzeug ein Stück auf der Linie und wiederholte es, wieder und wieder. Dann tauchte er die Zähne erneut in das Schwarze, klopfte mit dem Holzstab auf den Meisel, dass die Farbe in Punkten auf das Tuch sprenkelte und setzte wieder an der Linie an. Stück für Stück tastete er sich voran. Im Hintergrund lief die Musik. Sie gab unbewusst den Takt vor. Moko untermalte sie mit seinen Percussions. Tack – Tack – Tack – Tack – Tack – Doppeltack – Doppeltack – Doppeltack. Immer und immer wieder. In unrhythmischen Wiederholungen. Der Beat der Musik spielte unaufhörlich und kontinuierlich. Dann wieder eintauchen mit den Zähnen des Werkzeuges. Tack – Tack – Tack. Abklopfen der überflüssigen Farbe. Ansetzen auf der Haut und dabei einen Hebel bildend über die Finger. Den Ansatz suchen. Konzentration. Eiserne Augen. Fixierende Blicke. Ein sanftes Tack. Ein sanftes Tack mit Nachdruck. Zähne die wieder eindringen in unberührte Haut. Zerstörung, um zu erschaffen. Harte Schläge. Holz auf Holz. Lautes Tack Tack Tack. In kurzen Wiederholungen nacheinander. Prüfen. Eintauchen in schwarz. Immer die gleiche Prozedur. Immer und immer wieder.
Da liegt der Schlüssel der Meditation. In der stetigen Wiederholung des immer wieder Gleichen. Der Tätige wiederholt sein handeln. Miro schaut nur zu und erträgt das wundenbildende Eindringen in seine Haut. Jeder Stoß Mokos erzwingt Konzentration und das Ertragen des Schmerzes. Im Tack liegt das Atmen und Ertragen. Er vereint sich mit dem verstreichenden Sand. Es erinnert an verrinnende Zeit mit ihren hinterlassenden Erinnerungen. Mit ihren Narben und Zeichen. Die Sucht liegt im Schmerz und der Schmerz liegt im Leben und in jeder verstrichenen Sekunde. Tick-Tick-Tick-Tick-Tack-Tick-Tack-Tick-Tack.
Ich saß und schaute zu. Beobachtete die Meditation der Beiden. Ich sah den Leidenden. Er wartete nur ab. Wartete auf die nächsten Stöße. Wartete auf Wunden und erwartete sie mit Sehnsucht. Ich sah den Tätigen, der da klopfte. Der der eindrang. Die Wunden bildete. Ich sah Erwartung und Vorbereitung und Ausführung. Ich sah aus dem Fenster und sah lange Wiesen und grüne Landschaften und sah den Zug, wie er wieder am Horizont entlang flog, die Landschaft zerschneidend. Ich sah die Vögel und wie sie erschraken. Wie sie sich bildeten und wieder entzweibrachen. Ich sah Wiederholung. Ich sah endende Unendlichkeit. Ich sah mich. Meine Meditation.
  Geschrieben von Daniel Müller
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Fotoquelle: Daniel M.
Ort: Hanoi, Vietnam
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Zurück in Deutschland werde ich den Sternenhimmel am meisten vermissen. Auf diesem Bild steht die Milchstraße über Exmouth!
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In den Baumkronen der Eukalyptuswälder
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“ Es gibt nur den Weg des Schreibens, um über das Denken zu berichten.”
- Daniel M.
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Australiens Weiten bieten nicht nur Platz für verlassene Siedlerhäuser, Geisterstädten und sicherlich auch der ein oder anderen Leiche,  sondern auch für Autofriedhöfe, sowie diesen in der Nullabor Wüste.
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Ein Reisebericht Teil 1
Ich erwarte nicht, dass sich jeder aus meinen vorherigen Texte etwas zu unserer Reise zusammenreimen kann. Aus ihnen sprechen meine Empfindungen in einzelnen Situationen. Gefühle, die ich womöglich vielmehr für mich, als für die Allgemeinheit aufgeschrieben habe, welche mir dennoch im gleichen Moment wichtig waren zu teilen. Eine Reise besteht zum Großteil aus Eindrücken statt gesammelten Fakten. Eindrücke, welche sich im Laufe der Zeit in Gefühle verwandeln. Staunen. Ernüchterung. Freude. Befangenheit. Traurigkeit. Ängstlichkeit. Mut. Heimweh. Unlust. Dankbarkeit. Die Palette der uns bekannten Gefühlsregungen könnte ich hoch und runter spielen. Von allem war etwas dabei. Ist etwas dabei. Dennoch ist aus meinen Texten nicht wirklich vernehmbar, wo wir überall waren. Nun für alle die es interessiert, schreibe ich diesen Bericht. Alle anderen können sich ihre Zeit sparen und anstelle lieber etwas, für sich, Sinnvolles machen. Ich reiße die einzelnen Länder natürlich nur an, ansonsten würde ich statt einem Bericht ein ganzes Buch schreiben müssen.
Australien
Zu Australien lässt sich viel und eigentlich nichts sagen. Zumindest für mich nicht. Australien ist eines der Länder, dass ich nicht noch einmal besuchen würde. Nach zwei Monaten in Perth (Kauf eines Autos, Ausbau etc.) haben wir kurzerhand ein Jobangebot in Exmouth bekommen (1500 km von Perth entfernt im nördlichsten Westen des Kontinents). Es war Dezember und wir sollten Anfang März anfangen, hatten aber bislang noch nichts vom Land gesehen. Nun, es stimmt tatsächlich, dass die Größe des Landes erst erfassbar ist, nachdem man einmal von einer Seite zur anderen Seite gefahren ist. Immerhin ist Australien genauso groß wie Europa. Die Zeit wurde also knapp und wir waren eigentlich nur in Eile. Voller Enthusiasmus starteten wir am 03. Januar 2016 endlich unseren Roadtrip, doch bereits nach 100 km kam die Ernüchterung. Unser Auto verlor Kühlwasser, somit überhitzte der Motor und wir konnten nicht weiterfahren. Zu allem Übel brach einen Tag später ein Buschfeuer aus, dass uns eine Woche lange bei glühender Hitze in einer Stadt namens Bunbury festgehalten hat. Als sei es erst gestern gewesen, sehe ich die riesige Rauchwolke, vom 80km weit entfernt tobenden Feuer, über dem Meer auf uns zukommen. Ich spüre den Ruß in meinen Lungenflügel, die Aschepartikel auf meiner Haut und meine Angst vom Feuer eingekesselt zu werden. Unkontrollierbar. Erst nach knapp 5 Tagen konnte das Feuer gelöscht werden. Viele Tiere mussten sterben. Auch 2 Menschen konnten nicht rechtzeitig evakuiert werden. Zahlreiche mussten ihr Haus und Gut aufgeben. Nachdem die Verbindungsstraße wieder befahrbar war, wurden wir von einem bärtigen freundlichen Mann, der mich sehr an eine Figur aus „Herr der Ringe“ erinnerte, dessen Name mir jedoch nicht einfällt, abgeschleppt. Seine Bescheiden- und Zufriedenheit mit dem Leben hat mich auf irgendeiner Art und Weise beeindruckt, die ich nicht beschreiben kann. Manchmal denke ich an ihn zurück und beneide ihn um sein einfaches Leben. Auf dieser Fahrt sahen wir das Ausmaß des wütenden Feuers.  Verbrannte Bäume, Häuser, Weiden. Eine karge trostlose Landschaft ohne Leben. Zurück in Perth empfing uns der total fassungslose Mechaniker, welcher uns das Auto (komplett überholt) verkauft hat, mit zusammengeschlagenen Händen über dem Kopf. Wir hatten unser Ankommen bereits telefonisch angekündigt. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass ein Stein ein Loch in den Radiator geschlagen hat, durch welches nun das Kühlwasser ablief. Eine Woche später starteten wir erneut einen Versuch. Diesmal holten wir uns kein kühles Softgetränkt bei einer Fastfoodkette, da wir dachten, dass sein ein schlechtes Omen. Wir mussten aufgrund des Zeitverlustes leider eine kleine Ecke, Names Margaret River (ein gutes Fleckchen Erde für Surfer und Weinliebhaber), weglassen und sind gleich bis hinunter an die Küste gefahren. In der Nähe von Albany wurden wir von einer atemberaubend schönen Umgebung begrüßt. Lange Zeit konnten wir uns leider auch dort nicht aufhalten, da der nächste Campingplatz noch ein Stück entfernt war. Die erste Nacht außerhalb einer Stadt war auch die erste Nacht unseres Lebens ohne Lichtverschmutzung. Die Sterne am Himmel wurden immer mehr und mehr. Mehr als ich mir je vorstellen konnte. Die lauwarme Luft brachte einen Hauch Salzwassergeruch vom Meer mit und hinterließ ein Prickeln in meiner Nase. Wir öffneten unsere Autotür, ließen die Köpfe, auf dem Bett liegende, heraushängen und beobachten die Sterne. Ich kam mir fast vor wie in einem Liebesfilm. Total romanistisch. Wir träumten vor uns hin und sprachen über die Unendlichkeit dieser Welt, auf der wir nur einen kurzen Augenblick leben durften. Wir entdeckten sogar zwei neue Galaxien, welche wir zunächst für Wolken hielten. Nicht nur romantisch, sondern auch noch total spannend. Am nächsten Tag ging es weiter nach Esperance. Die Stadt ist bekannt für seine weißsandigen Stände mit kristallklarem Wasser, welches das Bild von Schönheit abrundet. Danach ging es für 4 Tage durch die Nullabor Wüste. Puhhh mehr tote Kängurus am Straßenrand, als Bäume in der gesamten Wüste so viel steht fest. Der Verwesungsgeruch von Kängurus ist unerträglich. Immer, wenn wir an einem vorbeigefahren sind, mussten wir die Luft für mindesten 30 Sek. anhalten. Manchmal sahen wir nicht mal ein Känguru, sondern haben das tierische Festmal für Geier und Fliegen nur gerochen. Ich glaube wir haben in diesen 4 Tagen mehr die Luft angehalten als ausgeatmet. Das Bild der Landschaft war anders als erwartet. Statt dem roten Sand fuhren wir durch eine fast baumlose Gräser- und Buschlandschaft. Manchmal kamen wir durch Abschnitte von Eukalyptuswälder, welche Daniel spaßig als Brokkoli-Bäume bezeichnete. Fast immer waren wir mit gefühlten zwölf Millionen Fliegen allein auf den Campingplätzen, die alle am liebsten gleichzeitig in unsere Gesichtsöffnungen kriechen wollten. Kochen wurde echt zu einer riesen Herausforderung. Einer hat mit dem Gesicht über den Kocher gehangen. Der Andere hat meist Sport gemacht. Hauptsache in Bewegung bleiben. Irgendwie. Die Küstenregionen waren sehr beeindruckend. Wir standen am Rand von 300m hohen Steilwänden. Unter uns das tosende Meer, welches laut und mächtig mit seinen riesigen Armen, gegen die Felswände schlug und leise und ruhig in seinen weiten Ausläufen bis zum Horizont reichte. Wir stellten uns vor wie die ersten Siedler aus England mit ihren Schiffen ankamen, wie Aborigines ihre letzte Reise antraten und wie die Welt sich heute für all das nicht mehr interessierte. Irgendwann kamen wir schließlich auf der anderen Seite der Nullarbor Wüste an. Das Landschaftsbild wurde nun geprägt von riesigen Eukalyptuswäldern, in welchen man auch seine pelzigen Bewohner in ihrer natürlichen Umgebung beobachten konnte. Nach Adelaide, wo wir die schönsten Sonnenuntergänge unseres Lebens gesehen haben, ging es auf der Great Ocean Road Richtung Melbourne. Die Great Ocean Road ist eine der bekanntesten Touristenstraßen Australiens. Immer entlang an der Küste mit sehr überlaufenden Aussichtspunkten. In Melbourne angekommen genossen wir nicht nur die bunte Stadt, sondern auch das leichtfüßige Leben. Die Stadt ist reich an Straßenkunst und Studenten. Hier wäre ein Platz zum Leben, in dieser Hinsicht waren wir uns einig. Also verbrachten wir viel länger als geplant in Melbourne. Genossen die Atmosphäre und das vegane Essen. Der Abschnitt zwischen Melbourne und Sydney war meine persönliche Lieblingsstrecke, obwohl die Strecke eher an die europäische Natur, als an die australische erinnerte. Hier lernten wir auch Clayton kennen, der uns in sein Haus irgendwo im Nirgendwo einlud. Zu Sydney gibt es eigentlich wirklich nicht viel zu sagen. Eine Großstadt wie jede andere mit vielen schwer beschäftigten Menschen. An dieser Stelle muss ich kurz abschweifen und erzählen, dass in Sydney jetzt ein Gesetz eingeführt wurde, nachdem das Überqueren der Straße mit Blick auf das Handy verboten ist und mit hohen Geldstrafen bestraft wird. Das sagt eigentlich alles über Sydney aus, was man meiner Ansicht nach wissen muss. Inzwischen hatten wir 4500 km in knapp anderthalb Monaten zurückgelegt. Noch anderthalb Monate bis wir in Exmouth sein mussten. Wir überlegten kurz, ob wir die Runde vollmachen sollten oder lieber den gleichen Weg nur im Inland nehmen sollten. Schließlich fiel uns die Entscheidung leicht. Wir hatten keine Lust auf die vielen Backpacker im Osten oder auf die brennende Hitze im Norden und wir wollten der Einladung von Clayton nachkommen, bei dem wir letztendlich noch eine Woche verbachten und der uns die versteckten Plätze seiner Umgebung zeigte. Plätze, die laut seiner Aussage, selbst den Anwohnern unbekannt sind und die das zu Hause von Hunderten von Spinnen waren, deren Netze so stark sind, dass sie sogar Vögel damit fangen können. Tatsächlich muss ich sagen, dass der Spinnenfaden sehr elastisch ist und wie ein Gumminband zurück geschnips ist, nachdem ich ihn heruntergezogen habe. Auf dem Rest des Weges entdeckten wir Orte, die uns beim ersten Mal nicht aufgefallen waren. Zum Beispiel eine alte fast verlassene Stadt mit dem Namen Iron Knopp, in welcher vor 50 Jahren Eisen abgebaut wurde. Nach dem Ende der Rohstoffgewinnung, verließen viel Arbeiter die Stadt mit ihren Familien. Einleuchtend, da sich nichts in der Umgebung der Stadt befindet. Mittlerweile ist auch die einzige Tankstelle eine Ruine und der nächste Supermarkt befindet sich 2 Stunden entfernt. Die Häuser wurden zu Spottpreisen verkauft, wenn sie verkauft wurden. Hier trafen wir eine Frau (welche eben so ein Billighaus kaufte), die in ihren 60ziger war und deren Kurzzeitgedächtnis von einem Tumor zerfressen wurde. Sie lud uns auf ein Schätzchen in ihr Haus ein. Interessante Begegnung und eine der kleinen Teilgeschichten, die es sich lohnt bei Kaffee oder Wein in gemütlicher Runde zu erzählen. Außerdem entdeckten wir das Siedlerhaus, von welchem ich Bilder hochgeladen habe und wir sahen Kamele in freier Wildbahn. Nun gut, also den ganzen Weg zurück und weiter hoch nach Exmouth. Ganzschön weit, soviel steht fest. Sonst ist nichts Nennenswertes passiert auf den 6000km, außer dass wir die Erfahrung gemacht haben eine Maus im Auto zu haben. Ich frag mich bis heute wie sie in den Innenraum unseres Vans gekommen ist. Diese benannte Nacht war schlaflos und zermürbend. Ich würde an dieser Stelle sagen, bei einem Weinchen. Und dann waren wir auch schon in Exmouth, von dem ich bereits in einem meiner früheren Berichte erzählt habe. Summa summarum würde ich sagen: wer gerne Fliegen im Gesicht hat, lange Strecken im Auto fährt und Hitze mag, der ist in Australien genau richtig. Die kilometerlangen Strände, die rauhen Felswände, allgemein die ganze Einsamkeit ist schon einmalig, aber für mich eben auch einsam. Für alle anderen würde ich dann doch Neuseeland vorschlagen, welches genauso schöne Küsten vorzuzeigen hat. Hier ist es nur ein bisschen Kälter. Im nächsten Bericht geht es dann weiter mit den Ländern Thailand, Vietnam, Tawain und den Philippinen, aber für heute reicht es erstmal. Die Bibliothek schließt auch gleich.
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Klaviermusik im Hintergrund. Leises sanftes drücken der schwarz-weißen Tasten von unbekannten Fingern. Wellenartige Bewegungen. Jede Sekunde ein Ton. Töne die sich in eine Melodie verwandeln.  Melodie die sich in meinen Kopf schleicht. Keine großen Dramen. Keine humorvollen Tragödien. Nur Träume. Ich träume mich zurück in deine Arme. Zu dem Moment in dem selbst Sterne zählen nicht unmöglich war. Doch noch zuvor der Tag. Wir sind umgeben von majestätischen Bergen. Berge die Jahrhunderte überdauerten. Starr und vollkommen in ihrer Einzigartigkeit. Gekitzelt von den herüberziehenden Wolken. Zugedeckt mit weißem Schnee. Jede Steinschicht perfekt aufeinandergetürmt. Für lange Zeit geplant. Doch ungeplant. Vor uns ein türkisblauer See. Ebenso majestätisch. Ebenso geplant Ungeplant. Verführerisches Wasser. Lockend. Eiskalt. Wir springen hinein mit jugendlichem Leichtsinn. Unbefangen. Ohne Angst vor Morgen. Härchen stellen sich auf. Ein kurzer Moment der Unbeweglichkeit. Dann kehrt die Freude zurück. Über das Hier. Über das Jetzt. Über das mit dir. Über das mit mir. Die Tropfen glitzern auf unserer Haut. Singen ein Lied vom Sommer. Ich schaue mich um.  Hoch zu den Bergen. Unrealisierbar für das menschliche Auge. Eine Kulisse, die nicht schöner hätte gemalt sein können. Mit nackten Füßen gehe ich zurück zu unserem Campervan. Nehme mir ein Buch. Inhaliere die klare Luft. Ich wünsche mir kein anderes Leben. Nicht für diesen Moment. Langsam trocknet das Wasser. Die Sonne schenkt mir einen Hauch von Bräune.  Die Charaktere in meinem Buch werden zu meinen besten Freunden. Erzählen mir von ihrer Geschichte. Scheuen sich nicht die falschen Wörter zu sagen. Reden ohne Widerrede. Lesen ihre eigene Geschichte. Das Ende. Nicht nur vom Buch. Die Sonne verfängt sich in den Bergkämmen. Kleidet die Wolken feuerrot ein. Die Wellen lassen ihr Spiegelbild tanzen. Jeder hört jetzt seine eigene Symphonie. Nimmt die Farben anders wahr. Ich schließe mein Frieden mit der Welt und mit mir. Ist die Sonne untergegangen, trifft uns der kalte Bergwind. Grenzenlos unverschämt. Ich kuschele mich nah an dich heran. Du legst deinen Arm um mich. Verfällst einem friedlichen Schlaf. Ich bleibe noch ein wenig wach. Schaue aus dem Fenster. Der Himmel taucht in ein immer dunkler werdendes Blau. Von Minute zu Minute kann ich mehr Sterne erkennen und irgendwann erkenne ich das ganze Universum. Keine Langzeitbelichtung könnte den Himmel so einfangen wie ich ihn sehe. Das Universum stürzt auf mich herab. Unberechenbar. Endlos. Von keinem Licht der Erde gestört.
Ein ganz normaler Tag in einem unnormalen Leben. Ein Schritt auf den ein Weiterer folgt. Die mich bis ans andere Ende der Welt gebracht haben. Viele Sekunden stehen mir noch im Leben bevor. Mit einem Wimpernschlag vorbei. Sekunden werden zu Stunden, Tagen, Wochen und Jahren. Plötzlich realisiere ich, dass mich der Berg überdauern wird. Ebenso das Universum. Das, die Welt unerklärlich ist und dieses Leben nicht ungenutzt bleiben darf. Und so fange ich an die Sterne zu zählen bis der Moment vorbei ist.  
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In der ganzen Verrücktheit dieser Welt liegt auch eine Chance
Unbekannt
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In Australien und Neuseeland gibt es viele verlassene Siedlerhäuser am Straßenrand. Dieses hier ist aus den 50ziger Jahren und steht versteckt in den Anfängen (oder den Ausläufen, abhängig davon aus welcher Richtung man kommt) der Nullarbor-Wüste. Längst nicht so alt und verkommen, wie das beschriebene Siedlerhaus in meinem Text. Dennoch genauso einsam.
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Das Siedlerhaus am Straßenrand
Ein Siedlerhaus am Straßenrand. Stumm stehst du da. Keine Stimme verlässt mehr deine Räume. Kein Rauch deinen Schornstein. Was gewachsen ist, wächst nicht mehr. Deine Tür steht offen für ungewollte Gäste. Die Vergangenheit ist nah. Das Lachen abgeholzt. Längst verglommen ist die Glut des letzten Feuers, welches einst brannte als Zeichen des Lebens. Tapete mit Wasserflecken und Blumen. Teppich mit Schimmel und Mustern. Bett mit Mäusekot und Sehnsucht. Augen sind geschlossen. Verzichten auf den Anblick des heutigen Tages. Das Bett ich kalt, wie die Suppe auf dem Herd. Übergesiedelt aus dem fernen England. Ausblick auf ein besseres Leben. Zu Ende gelebt. Festgenagelte Bretter. Stumpf und ungeschliffen. Sollen tragen was untragbar ist. 150 Jahre vergangen. Das Rat der Zeit steht niemals still. Das Leben eines Menschen. Einer Familie. Generationen. Mehr. Ein Wimpernschlag für Manche. Ein tiefer Rieß auf ihrem Kleid. Unheilbar.
Ein Siedlerhaus am Straßenrand. Geöffnet die Tür. Betreten des protestierenden Holzes. Umschweifender Blick. Schauen durch dickes Panzerglas auf den leeren Stuhl. Stehend vor einem leeren Tisch mit leeren Gläsern. Unberührtes Besteckt. Schweigende Nähmaschine in der Ecke. Schauen auf das was einst war. Schauen auf das was nie zurückkehren wird. Sehen Gesichter auf Bildern. Lesen ihrer Namen. Personen ohne Unpersönlichkeit. Wischen den Staub von den Büchern. Verfolgen ihre Bewegungen. Stellen uns ihr Lachen vor. Ihr Weinen. Gehen mit den Kindern durch die nicht mehr existierenden Wälder. Eine Welt fernab vom vertrauten England. Abenteuer. Heimweh. Ein großer Ozean.
Ein Siedlerhaus am Straßenrand. Einsam und verlassen, trotz täglichen Besuchern. Vereinzelt umgeben von Bäumen. Erbaut in den Anfängen der Migrationswelle. 1900 Jahrhundert von England nach Neuseeland. In großen Schiffen. In flutenden Zahlen. Erbaut von einem Mann und seinem Bruder. Namen zu nennen an dieser Stelle unzweckmäßig. Erbaut für die Familie. Erbaut für das Glück.
Ein Siedlerhaus am Straßenrand. Offen für dich. Für Sie. Für Ihn. Für Mich, wenn ich zurückkehren will.
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552 Tage
das Licht wird eines Tages erlöschen. Meine Augen schließen sich. Ein letztes Mal. Ungesagte Worte bleiben ungesagt. Ungeschriebene Briefe, ungeschrieben. Verlorene Tage, verloren. Manchmal liege ich in der Nacht wach. Ich denke nach. Vergangenheit, Zukunft, über das was war und was nicht sein wird. Über das was bleibt. Und wer ich bin. Wer du bist. Wer wir sind. Welches Gebilde wir abgeben. Was wir erschaffen. Was wir zerstören.
Manchmal denke ich darüber nach, wo die ganzen Briefe landen, deren Empfänger nicht ausfindig gemacht werden können. Dieser eine Brief, der ein ganzes Leben ändern kann. Eine Entschuldung, eine Widergutmachung, ein Entschluss, ein Ziel- ausgesprochen, aufgeschrieben und doch ungehört. Zwei Wartende ohne Antwort. Meine Phantasie schweift ab. Ein großer schwarzer Raum. Staub verfängt sich in meiner Lunge. Ein kleines Fenster. Eine rechteckige Tür. Abgeblätterte graue Farbe. Abgegriffenes Messing. Worteloser Mund mit flinken Händen. Ich sehe den gesichtslosen Menschen im schimmernden blauen Licht. Schlürfende Schritte. Geduckte Haltung. Geplagt vom immer gleichen Alltag. Vor sich herschiebend schwarzes Metall mit neuen verirrten Briefen. Steife Regale türmen sich zu beiden Seiten auf. Regale die Millionen Worte vorlesen können, aber doch stumm bleiben. Regale die Träume wiegen. Gedanken sicher aufbewahren. Ziele unerreichbar lassen. Die Tür fällt ins Schloss. Stille. Ein Stift. Ein unaufgeräumter Schreibtisch.
Plötzlich lässt mich ein Geräusch aufschrecken. Teller und Tassen klappern. Etwas wühlt im unaufgewaschenem Geschirr der Nachbarn. Neben mir eine schläfrige Stimme. Nur ein Igel. Ich lass mich zurück auf mein, zu hartes, Kissen fallen. Schaue an die Decke. Denke nach. 552 Tage. Veränderung eines Lebens. Manchmal über Nacht. Manchmal im Stillen. Ich fühle mich befreiter von mir selbst. Zum Schluss drücke auf löschen. Ungeöffnete Briefe.
Vergangene Tage. Tauchkurs in Thailand. Gebrochenes Englisch mit französischem Akzent. Raue Stimme. Eine Tauchlehrerin die zu oft tauchen war. Und dann der Freund. Stelle fest, dass ehrliche Menschen nur selten anzutreffen sind. Ich denke an Vietman. Die Reise ins satte Grün des Sapa-Gebirges. Ich sitze auf dem falschen Platz. Ich denke an den Busfahrer, der mir meine Tasche entreißen will. Für den ich nichts wert bin, weil ich das falsche Geschlecht in seiner Gesellschaft habe. Ich stelle mich nicht über das männliche Geschlecht. Ich stelle mich auch nicht darunter. Ich denke an die Worte von Rio Reiser – “Ich bin nicht unter dir. Ich bin nicht über dir. Ich bin neben dir“. Ich denke an das Gefühl. Fassungslosigkeit. Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Ich schaue mich um. Namenlose weiße Gesichter. Abgewendeter Blick. Starr aus dem Fenster schauend. Immer noch Fassungslosigkeit. Schläge hageln auf meinen Oberschenkel. Starke Hände ziehen an der Tasche. Meine Starrsinnigkeit. Seine Starrsinnigkeit. Diesmal kein Weglachen. Ich denke an die Menschen im Sapa-Gebirge. An eine zu schnelllebige Zeit. An Touristen in zu großen Zahlen. An ihre Wurzeln. Aufgegeben. Dem Kapitalismus folgend. Ich denke an den bitteren Kaffee. Kleine verqualmte Kaffeeläden in Nebenstraßen. Endloses Gerede. Aufgeweichte Gedanken. Dein Lachen. Mein Lachen. Unser Frieden. Zweiter Kaffee. Ich gehe wieder. Weiter nach Tawain. Folge den Tagebucheinträgen. Höre dem Geschriebenen aus fremder Hand zu. Eindrucksvoll. Lange Zugfahrten durch wechselnde Szenarien. Meine Hand die schreibt. Unbeholfene Wörter. Verdachte Gedanken. Springe auf die Philippinen. Tauchen in den Bug der „Morazan Maru“. Spüre durchdringende Wärme. Stumme Blicke. Ohnmacht. Befinde mich wieder an dem zu einsamen Strand mit einem Kettenverkäufer. Schüttle den Gedanken ab. Laufe nochmal durch die staubigen Gassen des Marktes in Coron. 7 Uhr morgens. Drückende Hitze. Kaum Luft zum Atmen. Schweißgebadet. Ein Schwein schreit. Vom Schlachter verschont. Zu viel Tod auf dem Tisch. Fliegen stillen ihren Hunger. Verkäuferinnen und Verkäufer. Frischgefangener Fisch. Herunterhängende Gedärme. Angegammeltes Obst. Der Geruch nach ausgehauchtem Leben. Kinder die nicht lachen. Frauen die sich waschen. Männer die schlachten. Gesamteindruck. Offene Arme empfangen uns in Neuseeland. Sehnsüchtig gestilltes Heimatgefühl. Schon oft erzählt. Noch ein Freund. Ein ehrlicher Mensch. Zuhause auf Zeit. Freie Gedanken in den Tiefen der Mãoriwälder. Immer ein Schritt nach vorn. Zufriedenheit.
Gedankenhaufen einer Nacht. Die Stunden verstreichen mit rasanter Geschwindigkeit. Tick. Tick. Tick. Wendet sich der Zeiger dem nächsten Morgen zu. Ich denke tausend Gedanken. Veränderung. Unweigerlich. 552 Tage. Das Ende bleibt ungedacht.
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Das leichte Wesen der Erinnerung
Ich sitze in einem kleinen Restaurant in Coron (Philipinien). Ich denke über die letzten Monate nach. Ich versuche mich zu erinnern und doch scheint alles so vernebelt. Es ist, als befinde ich mich in einem Film. In meinem Kopf flackern Erinnerungen. Ich fühle mich wie eine Frau, die bereits lange auf dieser Erde verharrt und versucht sich an ihre jungen Jahre zu erinnern, in einem Moment der Einsamkeit. Hier und da ein Lichtschein. Hier und da eine Erinnerung. Hier und da ein Lächeln über das Vergangene. Draußen hupen die, die Tuck Tuck fahren. Wie überall in Asien. Die Wärme dringt durch die Fenster und verfängt sich in meiner Haut. Ich spüre es ganz deutlich, und doch kommt es mir vor wie ein Traum. Nicht im hier und jetzt zu sein, sondern die Geschichte eines anderen zu erleben.
Australien liegt nicht lange zurück. Zwei Monate ist es her, dass wir Exmouth verlassen haben. Exmouth ist ein kleines verschlafenes Städtchen am, gefühlt, anderen Ende der Welt. Zwischen Exmouth und den nächsten Städten liegen 500km Wüste und zahlreiche tote Kängurus. Der Stadtkern besteht aus zwei identischen Supermärkten, die sich 50 m voneinander entfernt, gegenüberliegen, ein paar Restaurant, einem Bäcker, einem kleinen Wasserspielplatz und Unmengen von Touristenbüros, die alle dieselben Walhaitouren anbieten. Exmouth besteht aus Rassisten und Touristen. Aborigines haben diesen Ort vor 10000 Jahren verlassen, weil das natürlich Überleben unmöglich ist an einem solchen Ort. Die Sonne prasselt täglich herunter und erhitzt die Luft im Sommer auf 40 - 45 Grad. Es gibt keine schattenspendenden Bäume. Das Meer ist Badewasser warm. Kängurus und Emus fühlen sich hier sichtlich zu Hause. In den Wintermonaten sorgt ab und an ein Orkan für ordentlich Abwechslung. Essen gibt es hier nur durch die stetig ankommenden LKWs, die den weiten Weg aus Perth auf sich nehmen. Eigentlich wirklich kein Ort zum Leben. Nun, wäre da nicht dieses weite kristallblaue Meer, mit seinem riesigen Riff, welches sich nur 50m vom Strand entfernt befindet. Diese Farben. Diese Stille. Diese unglaublich schöne Welt mit seinen bunten Bewohnern. Es lockt die Menschen an. Ohne Worte. Die Walhaie sind hier von April bis August zu Hause. Sie sind die größten Fische der Welt und ernähren sich vom Plankton. Natürlich stand eine Tour auch auf unserer „Bucketlist“. Die 500 Dollar die die Tour kostest konnten wir jedoch nicht, einfach mal so, aus dem Ärmel schütteln. Das Glück auf unserer Seite, fragte uns unser Chef eines morgens, ob wir nicht Lust hätten eine Walhaitour mitzumachen, da spontan 7 Plätze auf dem Boot frei geworden wären. Es stand außer Frage das Angebot anzunehmen. Und früher als gedacht, befanden wir uns in Schnorchelausrüstung am Rand des Bootes, als es hieß: „Bereit zum Sprung“. Mit Walhaien zu schwimmen - einzigartig. Sie sind freundliche große Meeresbewohner, die sich an deiner Existenz nicht stören. Ungehindert setzten sie ihren Weg fort. Immer mit gleichmäßigen rhythmischen Bewegung der Schwanzflosse. Wir paddelten hektisch hinterher mit unseren Schwimmflossen, aber es ist nur möglich sie ein kleines Stückchen zu begleiten. Dann verschwanden sie in der Dunkelheit des Meeres, genauso plötzlich wie sie aufgetaucht sind. Ich tauchte wieder auf. Ein Moment der Ungläubigkeit überkam mich. Der Guide deutet uns an zurück aufs Boot zu gehen. Es war vorbei. Es war kein Traum.
Dann kommen die Wale. Im August. Sie bringen die nächste Generation mit. Hier gibt es genügend Futter, um die Nachfolger aufziehen zu können und alles über das Leben und Überleben im Meer zu lehren. Nur gegen die japanischen Fischer und die ohrenbetäubenden Signale der Unterwasserflotten werden sie sich nicht schützen können. Ein unnatürlicher Feind im natürlichem Lebensraum. So klein und doch nicht zu besiegen. Anfangs sind sie nur vereinzelt zu sehen. Und auf einmal sind sie überall um dich herum. Ich sah sie Spielen. Diese Giganten. Ich hörte sie Singen. Diese einzigartigen Geschöpfe. Sie bringen Frieden zurück. Lassen dich vergessen, in was für einer Welt du lebst. Deine Probleme. Deine Sorgen. Deine Angst. Ausradiert. Einmal mit einem solchen Riesen schwimmen. Einmal die Chance bekommen ihm in die Augen zu sehen. Ganz nah zu sein. Dein Herz schlägt schneller. Traust du dich wirklich noch ins Wasser mit dem Wissen, dass ein 200 Tonner unter dir auftauchen könnte, bereit zum Sprung. Es ist doch eine Überwindung und die Angst ist nicht vergessen. Zumindest diese nicht. Aber den Manta wollte ich auch nicht verpassen. Taucherbrille. Schwimmflossen. Bereit zum Sprung. Alles musste schnell gehen. Und dann war da nicht mehr der Manta, sondern die Augen einer ausgewachsenen Walkuh blickten mich neugierig an. Dicht an ihrem Körper, ihr Kalb. So unglaublich nah. So unglaublich Unglaublich. Es sind nur einige Sekunden, die wir miteinander teilten. Sie tauchten ab in die Tiefe. Und ich bliebt zurück mit der gewonnenen Chance und der Überwältigung. Ich hielt den Atem an, um ihre Klänge zu verfolgen. Ich hörte sie noch einmal singen. Lieblich und rein. Dann stieg ich zitternd aus dem Wasser. Die Sonne strahlte vom Himmel. Trocknete das Salzwasser auf meiner Haut. Das Meer glitzerte unergründlich. Daniels Geburtstag. Ein Tag im August. Ein Tag wie kein anderer in meinem Leben. Ein Tag, an den ich mich heute zurückerinnere und der mir ein Lächeln auf meine Lippen zaubert. Es ist nicht die Geschichte eines Anderen. Es ist meine Geschichte, die ich mit dir teile.
Noch eine Erinnerung flackert auf. Ich bereitete mich erneut auf meinen Sprung vor. Eine Hand an den Gürtel die andere an die Maske. Knapp 30 Meter unter mir lagen die Überreste eines stillen Zeugens. Damals kostete sein Untergang viele Menschenleben, heute springe ich freiwillig ins Wasser um noch einmal durch die Gänge der „Morazan Maru“ zu gleiten. Unter Wasser ist alles friedlich. Die Welt scheint still zu stehen. Ausgeschalten ist der Lärm. Nichts ist zu hören. Nur der eigene Atem. Er erinnert daran, dass man nicht zu dieser Welt gehört. Auf einmal tauchte der Gigant auf. Seine Umrisse zeichneten sich zart in dem trüben Wasser ab. Unbeweglich lag das Schiff auf dem Grund des Meeres und erduldete die Fremden, die in seinen Rumpf eindrangen und dafür sorgen das es nicht der Vergessenheit überlassen wird. Das Licht des Tages tauchte in das verrostete Skelett ein. Seit 80 Jahren liegt es nun schon auf dem Meeresboden und ist bewohnt von unzähligen Muscheln und Fischen. Sie schauten mich an wie einen Eindringling. Ich versuchte meine Balance zu halten - was mir jedoch nicht immer gelang. Ich berührte den Boden mit meinen Händen, welcher vor langer Zeit Füsse getragen hat - bevor sie vom Meer verschlungen worden. Hier und da gab es immer noch Anzeichen von Leben. Menschlichem Leben. Ein alter Schuh. Gläser. Keramikstücke zerbrochener Krüge, Tassen, Teller. Alte Kohlenstücke mit denen der Motor angeheizt wurde. Backsteine, auf denen der Name des Schiffes deutlich zu lesen war. Dann tauchten wir wieder auf. Auch du wirst mir in Erinnerung bleiben und schreibst ein Stück Geschichte in meiner Geschichte. Diese Erinnerungen sind nur Bruchstücke und beschreiben nicht annähernd das Gefühl des Erlebten, welches so schwer zu beschreiben ist. Das Leben auf der Welt ging weiter. Meines stand für 50 Minuten still.
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Einpaar letzte Eindrücke aus Vietnam
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Quer durch Australien
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Eindrücke Philippinen
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